Die falsche Braut by Zeidner Lisa

Autor:Zeidner, Lisa [Zeidner, Lisa]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2015-04-17T16:00:00+00:00

Im Nachhinein würde Helen nicht mehr genau sagen können, welchen Teil der Geschichte sie erst später erfuhr, als sie Amy besser kannte, und was schon im zur Toilette umfunktionierten Zelt. Wahrscheinlich damals eher wenig; erinnern konnte sie sich aber noch, dass sie gerätselt hatte, wieso von keiner Mutter die Rede war. (Die Mutter war tot.) Auch daran, dass der hingebungsvolle Beistand durch den Vater sie gerührt hatte, und an Amys weichen Gesichtsausdruck, jedes Mal, wenn sie »Dad« sagte. Prompt ein erneuter Anfall ihres alten Kummers: Wieso hatten ihre eigenen Kinder nicht so einen Vater? Oder Großvater – warum musste Helens liebenswürdiger Vater so früh sterben?

»Aber, Amy«, sagte Helen jetzt und besann sich auf ihre momentane Aufgabe, »das ist doch nicht Kevin! Das ist doch eine Frau!«

Amy hatte eine Theorie. Vielleicht rief Kevin ja nicht mehr an, weil er eine andere kennengelernt hatte. Und wenn er eine andere kennengelernt hatte, dann würde diese Frau genauso verrückt sein wie er. Vielleicht hatte sie ja das mit Amy herausgefunden und war genauso eifersüchtig auf sie wie Kevin auf Steve.

»Ich weiß, das klingt abwegig«, sagte Amy entschuldigend.

Helen schüttelte den Kopf: ganz und gar nicht. »Dann gehen wir das mal durch«, sagte sie. »Weiß er, wo du arbeitest?«

Natürlich.

»Hast du die Geschichte mit Kevin noch irgendwem sonst beim Partyservice erzählt?«

Außer Matt und Cindy nur ihrer Mitbewohnerin – und der Polizei –, nach dem Einbruch im Büro.

»Gibt es sonst noch etwas, was ich über den Partyservice wissen sollte? Hat aus irgendeinem Grund vielleicht jemand etwas gegen diese Firma?«

Höchstens, dass Matt, ihr Chef, ein totaler Widerling sei, meinte Amy. Er baggere alle Mädchen an. Kaum gehe seine Frau mit einem Tablett nach draußen oder nach hinten zum Ofen, schon fange er an zu flirten, ganz egal, welches Mädchen gerade neben ihm arbeite. Und wenn die ihn abweise, so entschieden, wie sie es sich gerade so leisten könne, ohne gefeuert zu werden, mache er sich einfach an die Nächste ran.

»Geht denn irgendeine auf seine Avancen ein?«, fragte Helen und versuchte, ihr Triumphgefühl, dass sie mit ihrer Vermutung ganz richtig lag, zu bändigen.

»Machen Sie Witze?«, meinte Amy. Aber, fügte sie hinzu, auf seine abstoßende Art sei er ebenso hartnäckig wie Kevin. Er versuche es oft abendelang beim selben Mädchen, in der festen Überzeugung, seine behaarten Ohren könnten plötzlich doch unwiderstehlich sein. »Er betatscht deinen Nasenring und fragt dich, ob du auch einen im Bauchnabel hast, oder er nimmt deine Hand, sagt was Nettes über deine Maniküre, dreht deine Hand um, als wollte er darin lesen, und fährt dann mit dem Finger einfach über deine Lebenslinie, während du versuchst, nicht zu kotzen.« Und weil es alles andere als ein sicherer Arbeitsplatz sei und auch nicht gerade gut bezahlt, gebe es jede Menge Wechsel und neue Mädchen, sagte Amy. Sie habe übrigens den Eindruck, dass die Situation zwischen Matt und Cindy, seit die Geschäfte schlechter liefen, zunehmend angespannter werde.

»Kannst du dir denn vorstellen, dass die Frau irgendetwas mit Matt zu tun haben könnte? Dass er es ist, der sich entschuldigen sollte?«

Während Amy

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